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Anders als erwartet, by Stefan Kretzschmar
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Prolog. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
4 Rückkehr in den Osten Im Jahr 2006 haben Wissenschaftler der Universität Magdeburgüberlegt, wie man in den Westen abgewanderte Ossiswieder zurückholen könnte. Eine Pappschachtel mit schönenGrüßen aus der Heimat sollte dabei eine Rolle spielen. Die StadtMagdeburg zum Beispiel schickte solche Pakete an gut ausgebildeteArbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich in den alten Bundesländernniedergelassen hatten. Inhalt: ein blauer Stoffbeutelmit dem Logo der Hochschule Magdeburg-Stendal, ein Satz Skatkarten,ein Gutschein über Tickets für das Magdeburger Theater,ein Päckchen Knäckebrot mit Sesam - eine Spezialität der Region- und zwei Absinth-Trüffel-Pralinen aus einer MagdeburgerZuckerbäckerei. Mit diesem Carepaket hätte ich mich 1996 wahrscheinlichnicht aus Gummersbach locken lassen. Mir boten sichandere Anreize, private, sportliche und finanzielle.In meinem dritten Jahr in Gummersbach ertappte ichmich immer öfter dabei, dass ich bei der Angabe der Uhrzeit insTrudeln kam. Statt viertel zwölf oder drei viertel zwölf, wie mandas im Osten sagt, verabredete ich mich nach West-Diktion umViertel nach elf beziehungsweise Viertel vor zwölf. Nicht nur dievertraute Sprache fehlte mir, auch meine Freunde und Familie.Ich hatte einfach Heimweh. Für mich stand fest: Es war im wahrstenSinne des Wortes Zeit, zu meinen Wurzeln zurückzukehren.Mir ging es wie einem Studenten, der nach Jahren an einer Uni-versität weit weg nun zurückwollte, um in der alten Heimat einenJob anzutreten. Der bot sich mir in Magdeburg.Das war zwar nicht meine Heimat, dort war aber derErstligist zu Hause, der Berlin am nächsten war. So nahm ich mirerst mal nur eine kleine Wohnung in Magdeburg und mietetemich außerdem in Berlin in Prenzlauer Berg ein. In den nächstenMonaten verbrachte ich einen Großteil meiner trainings- undspielfreien Zeit auf der Autobahn oder in Regionalexpress-Zügen,um die 150 Kilometer zwischen den beiden Städten zu überbrücken.Dass diese Pendelei kompletter Schwachsinn war, dieseErkenntnis sollte ich allerdings erst einige Monate nach meinemDienstantritt gewinnen.Berlin bevorzugte ich nicht nur wegen meiner Freundeund Familie, auch optisch war die Stadt Magdeburg auf den erstenBlick nicht gerade das Lieblingsziel eines Touristen.Ich sollte vielleicht auch erwähnen: Als ich noch bei DynamoBerlin spielte, hasste ich nichts mehr als den SC Magdeburg,weil dieser Club zu DDR-Zeiten so ziemlich alles gewann, wasman gewinnen konnte. Gleichzeitig habe ich diesen Verein aberauch enorm bewundert und immer davon geträumt, einmaldort zu spielen. Allein zehn DDR-Meisterschaften sowie zweiEuropapokale im Landesmeisterwettbewerb hatte der SCM biszur Wende geholt.Der Club hatte also eine Menge Renommee und Pokale,die in der Vitrine verstaubten, seine Gegenwart indes sah sportlichnicht ganz so rosig aus. Darum war es für den SC Magdeburgwichtig, mich zu verpflichten. Der Bau der 8000 Zuschauerfassenden Bördelandhalle war beschlossen. Die nagelneue Arenasollte viermal so groß werden wie die altehrwürdige Hermann-Gieseler-Halle, bis dato die Spielstätte der Magdeburger. Undich sollte dabei helfen, die neue Arena zu füllen. Ich glaube, dieVerantwortlichen des Clubs hätten fast alles gemacht, um michnach Magdeburg zu holen, weil es für sie sportstrategisch undmarketingtechnisch ein enorm wichtiger Schachzug war: EinOssi, der bei einem erfolgreichen Westverein spielt, wechseltzum aufstrebenden Ostverein. Ich war der kommende Mann, warzweimal zum Handballer des Jahres gewählt worden und auf derPosition Linksaußen so etwas wie der Marktführer. Ich wusste,was ich konnte, ich kam gerade von den Olympischen Spielenaus Atlanta.Auf der anderen Seite war der SC Magdeburg trotz sportlicheher mäßiger Auftritte dafür bekannt, mittlerweile gutes Geld zuzahlen. Das war kein bemitleidenswerter Ostverein, sondern eineechte Hausnummer, mit der man rechnen konnte. SportausrüsterNike hatte Geld in den Wiederaufbau des Clubs gesteckt, wasenorm dazu beitrug, das Image des SCM aufzuwerten. Nike warneben anderen Geldgebern ein sehr wichtiger Sponsor. Einigebehaupteten damals sogar, Nike hätte mich als Spieler gefordert.Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt ein Nike-Sportler mit einempersönlichen Ausrüstervertrag war, hatte der US-Konzern mitmeinem Wechsel nach Magdeburg nichts zu tun.Nike war 1992 beim SC Magdeburg ins Handballgeschäfteingestiegen, von der deutschen Ballsportart Nummer zwei erwarteteman sich ein großes Geschäft. In deren Anforderungsprofilan Athleten passte ich perfekt: Ich hatte bereits zwei Tätowierungenund galt als viel rebellischer als der Rest der deutschenHandballer. Viel früher als andere Sportartikelfirmen hatte Nikerealisiert, dass man Waren verpackt mit Emotionen verkaufenmuss. Sie suchten für ihre Kampagnen Sportler, die das verkörperten,die gleichzeitig Rebellen und Siegertypen waren. In ihrenAugen war ich das für den deutschen Handball. Und ich warohne Ende geschmeichelt und stolz. Nike war für mich schonimmer die geilste Firma gewesen, lange bevor ich selbst unterVertrag stand, es waren einfach die coolsten Klamotten. Nikerepräsentierte für mich Rebellion, war US-Basketball, den ichimmer schon bewunderte, aber auch coole Sportler wie AndreAgassi, John McEnroe oder Eric Cantona standen dafür.
Produktinformation
Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: Eichborn Verlag; Auflage: Aufl. 2009 (22. Januar 2009)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3821857021
ISBN-13: 978-3821857022
Größe und/oder Gewicht:
14,4 x 2,4 x 21,9 cm
Durchschnittliche Kundenbewertung:
4.2 von 5 Sternen
28 Kundenrezensionen
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Nachdem ich das Folgebuch gelesen hatte und ich erst regelrecht "verschlungen" habe, musste ich auch unbedingt das Vorgänger-Buch haben. Es ist natürlich durch das Lesens des aktuellen Buches nicht mehr so interessant, aber trotzdem sehr zu empfehlen.
und Ostalgie. Da ist einiges dabei, was meine Sympathie für den besten HAndballer unserer Zeit hat schmälern lassen. Allein die Episode, wo er mit Frank Rost alleine die Halbzeit eines HAndballeuropapokalspieles unterhalten haben will. Schade, ich dacht, da wäre mehr drin gewesen.
Interessantes Buch auch für Nichthandballer.
Super Lektüre
Ich habe das Buch für meinen Freund erworben, der ebenfalls seine Jugend im Osten verbracht hat. Sein Statement zur Biographie: "Absolut empfehlenswert!" Andreas Kretzschmar steht zu seiner Vergangenheit, beschönigt nichts und stellt die Dinge so dar, wie sie waren. Der nach außen schrill wirkende Typ lässt einen Einblick in seinen wahren Kern zu. Spannend, kurzweilig und witzig untermalt. Ratz fatz hatte mein Freund das Buch ausgelesen.
Für Handballer ein muss
Das Buch ist sehr gut zu lesen und man kann es nicht gleich weglegen.Es ist interessant über diesen Sport mal von "direkter Quelle" etwas zu lesen.
Als Spieler sehr gut und als Schriftsteller auch sehr gut und interessant. Das Buch hat meine Vorstellungen voll und ganz erfüllt.
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